Tier des Monats Juli
01.08.2021Dreiecksstrudelwurm: Dugesia gonocephala
Weitere Namen: „Dreieckskopfstrudelwurm“, „Trauerstrudelwurm“, „Öhrchen Planarie“, „Europäische Bachplanarie“
Der Dreiecksstrudelwurm gehört zur Klasse der Turbellaria, den Strudelwürmern. Der Name ist vom lateinischen Wort „turbo“ abgeleitet, welches übersetzt Wirbel heißt und auf die Fortbewegung der Strudelwürmer hinweist. Strudelwürmer haben nämlich unter dem Körper tausende von kleinen Wimpernhärchen, die den Körper mit ihrem gleichgerichteten Schlag vorwärtstreiben. Betrachtet man einen sich bewegenden Strudelwurm, erinnert seine Bewegung an die einer Schnecke. Der Schlag tausender Wimpern führt zu einem gleichmäßigen Dahingleiten.
Strudelwürmer sind weit verbreitet. Sie leben sowohl im Meer als auch im Süßwasser, einige Arten sogar an Land. Die bekannteste im Meer vorkommende Art ist die spanische Tänzerin, die der ein oder andere vielleicht - wie es mir vergönnt war - schon mal tanzend bewundern konnte.
Die im Süßwasser lebenden Arten findet man in größeren Strömen und Seen bis herab zu den Quellen und kleinsten Tümpeln. Selbst in austrocknenden Pfützen, Höhlen oder Brunnen können spezialisierte Arten leben. Aber nicht nur deshalb sind Strudelwürmer faszinierende Lebewesen:
Dugesia gonocephala: Der Dreiecksstrudelwurm hat eine stark abgeflachte Körpergestalt von maximal 2,5 cm Länge und 0,6 cm Breite. Der Körper ist eher unauffällig dunkelbraun bis schwärzlich gefärbt. Typisch und namensgebend ist das pfeilförmige Vorderende, das durch einen dreieckigen Kopf mit seitlich beweglichen „Öhrchen“ gebildet wird. Die Öhrchen beherbergen Sinnesorgane für chemische Reize und die Wahrnehmung der Strömungsrichtung. An der breitesten Stelle des Kopfes befindet sich ein Augenpaar. Die schwarzen Augenflecke mit jeweils hellen Hof, erwecken den Eindruck, der Strudelwurm würde schielen oder auch trauern. Mit diesen sogenannten „Pigmentbecherocellen“ ist er in der Lage, die Richtung des Lichteinfalls zu bestimmen. Sie sind nachtaktiv und eher lichtscheu. Zu finden sind sie im Bach vorzugsweise auf der Unterseite von Steinen, Ästen oder Schwimmblättern, gern auch in größeren Gruppen.
Als „Räuber“ ernährt sich der Strudelwurm vorwiegend von Kleinkrebsen, Würmern und Insektenlarven. Die Beute wird mithilfe zweier Geruchsorgane (Flimmergruben) aufgespürt und mit zähem Schleim eingehüllt. Ein Rüssel, der sonst versteckt im Körperinnern liegt, wird ausgestülpt und gibt dabei Verdauungssekrete von sich. Nach einer Weile wird das vorverdaute Gewebe des Beutetiers einfach eingesaugt. Die Mundöffnung befindet sich bauchseitig in der Mitte des Tieres. Nahrungsreste und Unverdauliches werden ebenfalls über diese Mundöffnung ausgeschieden, da das Tier keine Afteröffnung besitzt. Hungerzeiten (mehrere Monate) übersteht der Strudelwurm ohne größere Probleme. Zudem schützt eine Schleimhülle das Tier davor, selbst gefressen zu werden. Außerdem sorgt der Schleim dafür, kurzzeitiges Austrocknen erfolgreich zu überstehen.
Zur Fortpflanzung treten die Tiere als Zwitter, jeweils sowohl als Männchen und Weibchen, in Aktion. Als Paarungsvorspiel nimmt einer der Partner eine stark abgeplattete, ovale Körperform an, so dass das zweite Tier auf den Rücken des ersten kriechen kann. Beide Partner tauschen daraufhin ihr Sperma über die sogenannten Spermatophoren aus. Die entstandenen Eier werden, geschützt durch einen kugelförmigen, hartwandigen, dunklen Kokon, an einer geeigneten Stelle ins Wasser gelassen. Zum Schutz vor dem Abdriften wird der Kokon mit einem kurzen Stielchen an Steinen oder Wasserpflanzen befestigt. In den Eiern entstehen direkt junge Dreiecksstrudelwürmer, die den Erwachsenen ähneln.
Zur Fortpflanzung ist eine Paarung allerdings gar nicht notwendig. Strudelwürmer können sich nämlich durch „einfache“ Querteilung vermehren. Als „Weltmeister der Regeneration“ sind Strudelwürmer in der Lage fehlendes Gewebe mithilfe von Neoblasten (Stammzellen) neu zu bilden. Diese Zellen sind noch nicht spezialisierte Alleskönner, die für den schnellen Wundverschluss und die Regeneration jedes beliebigen Körperteils sorgen. Versuche haben gezeigt, dass schon ein sehr kleines Stückchen (1/250) eines Tieres ausreicht, um innerhalb von zwei bis drei Wochen ein komplett „neues“ Tier zu regenerieren. Dabei entstehen völlig identische Tiere (Klone). Manchmal geht dabei auch etwas schief, dann gibt es statt zwei Augen drei oder vier, die allerdings in der Regel ohne Funktion sind. Diese unglaubliche Selbsterneuerungsfähigkeit macht die Strudelwürmer natürlich zu einem attraktiven Forschungsobjekt der Gen-Forscher. Physiologie und Genetik werden dabei ganz genau betrachtet, um Hinweise auf Therapiemöglichkeiten für verletzte Menschen zu erhalten.
Der Dreiecksstrudelwurm ist ökologisch anspruchsvoll und kommt nur in sauberen, relativ schnell fließenden Gewässern vor. Als „Reinwasserorganismus“ benötigt er einen hohen Sauerstoffgehalt; er atmet nämlich direkt über die Haut. Optimal ist eine Wassertemperatur von 12 bis 16 °C sowie eine mittlere Strömungsgeschwindigkeit von 0,9 m/sec. Empfindlich reagiert er sowohl auf Gewässerverunreinigungen, die zu Sauerstoffdefiziten führen, als auch auf Versauerung. Außerdem benötigt er bei hydraulischen Stress ein gutes Lückensystem an der Gewässersohle, um sich dort zurück zu ziehen und zu schützen. Sein Vorkommen ist damit in unseren Gewässern immer ein ausgesprochen positives Zeichen, da er naturnahe Bedingungen im Gewässer anzeigt.
Quelle: EG/LV KL-GB, Presse