Tier des Monats April
26.04.2021Die Pilzköpfe kommen!
Nein, nicht die Beatles auf unser nächstes Sommerfest. Der 1. April ist ja auch schon etwas her. Hier geht es um unseren Bewohner des Monats April:
Die Pilzkopfköcherfliege (Anabolia nervosa)
In Deutschland gibt es drei Anabolia-Arten (A. nervosa, A. furcata, A. brevipennis) aus der Familie der Limnephiliden
Insgesamt kommen in Europa rund verschiedene 900 Köcherfliegenarten vor, von denen auf Mitteleuropa ca. 300 entfallen.
Die bei uns am häufigsten auftretende Anabolia Art ist: Anabolia nervosa
Anders als die Beatles, die aufgrund ihrer topfförmigen Frisuren den Beinamen bekamen, haben diese Insekten ihn der auffälligen Kopfzeichnung der Larven zu verdanken: auf hellem, gelblichen Grund befindet sich eine sehr deutliche schwarze, pilzförmige Zeichnung auf der Oberseite des Kopfes. Dies ist auch bei jungen Tieren schon sehr gut zu erkennen. Unter Wasser fallen sie nicht nur durch ihre Kopfzeichnung, sondern auch durch ihre „Mobilheime“ auf.
Die Larven der Pilzkopf-Köcherfliege ähneln Schmetterlingsraupen und bauen einen aufwendigen röhrenförmigen Köcher, den sie ständig mit sich herum tragen und nicht freiwillig verlassen. Der Köcher dient der Larve zum Schutz des weichen Hinterleibs sowie als Rückzugsort bei Gefahr. Außerdem schützt er vor starkem Abdriften bei erhöhter Strömungsgeschwindigkeit und ist eine perfekte Tarnung vor Fressfeinden. Basis des Köchers bildet ein Seidengespinst, das die Larve selbst mit Hilfe ihrer Spinndrüse produziert. Das austretende Sekret wird beim Kontakt mit Wasser zu einem elastischen Faden. Mithilfe der geschickten Mundwerkzeuge werden so Sandkörner zu einer Röhre verklebt und zusätzlich an den Längsseiten überstehende Stöckchen oder Pflanzenteile befestigt. Die im vorletzten Bild dieses Artikels abgebildete Larve ist in einem frühen Jungtierstadium und hat somit noch keinen der typischen Köcher gebaut. Im letzten Bild kann man schon die typische Struktur des Anaboliaköchers erkennen.
Die Atmung erfolgt bei den Larven über verzweigte, fadenförmige Kiemen am Hinterleib. Faszinierend ist, dass die Behausung immer mit wächst: Vorn baut die Pilzkopflarve an, hinten knabbert sie ab – und das während zirka fünf Häutungen. Mit der Größe verändert sich auch die Auswahl an Materialien. Zuletzt besteht die Röhre aus feinem Kies und kleinen Ästchen und Halmen. Interessant ist, wie die Larve die Ästchen an den Köcher klebt. Sie werden nämlich in Längsrichtung des Köchers angebracht und überragen die Enden des Köchers erheblich. Es handelt sich vermutlich um Stabilisierungshilfen. Bei Untersuchungen wurde nämlich festgestellt, dass diese Bauelemente den Köcher in der Strömung immer ideal ausrichten und die Larve somit immer perfekt in der Strömung steht.
Die Larven werden bis zu 4 cm lang und verstecken sich tagsüber gern in der Ufervegetation und feinem Geröll. Gefressen wird dabei vorwiegend vegetarisches, also Algen, abgestorbenes Pflanzenmaterial (Detritus) oder auch frische Pflanzenteile. Im Sommer legen die Larven je nach Nahrungsangebot eine Ruhepause ein. So wird in nahrungsreichen Gewässern der Köcher einfach verschlossen. Im Köcher wartet die Larve dann bis sich im Spätsommer oder Herbst die Wassertemperaturen abgekühlt haben. Dann beginnt ähnlich wie bei einem Schmetterling die Verpuppung mit anschließender Verwandlung (Metamorphose) zum geflügelten geschlechtsreifen „Erwachsenen“. Die Tiere schlüpfen dann zwischen August und Ende Oktober bei guten Witterungsverhältnissen am Ufer. Wie bei den Eintagsfliegen kann es auch bei den Pilzkopf-Köcherjungfern dabei zu einem plötzlichen Massenaufkommen der Art kommen.
Das erwachsene Insekt (Imago) hat bräunlich gefärbte, behaarte, pergamentartige Flügel und ist bis zu 1,5 cm groß, mit auffällig langen, fadenförmigen Fühlern. Die Flügel bilden in der Ruheposition ein Dreieck wie ein Zeltdach. Im zoologischen Sinne ist sie gar keine Fliege, sondern gehört wie alle Köcherfliegen in eine eigene Insektenordnung, die am nächsten mit den Schmetterlingen verwandt ist. Es sind eher träge Tiere, die daraufsetzten, dass sie durch ihre unauffällige Färbung gut getarnt sind. Die Lebenserwartung beträgt selten mehr als eine Woche, in der die Tiere vorwiegend dämmerungs- und nachtaktiv sind. In dieser Zeit geht es ausschließlich um die Fortpflanzung/Arterhaltung.Das erwachsene Insekt hält sich tagsüber nicht allzu weit vom Wohngewässer versteckt in der Ufervegetation auf und sucht in der Dämmerung in einem eher unbeholfenen Flatterflug nach einem Partner. Die Paarung erfolgt selten im Flug, dazu sind die „flatterigen“ Flieger nicht geschickt genug, sondern bevorzugt auf einer festen Unterlage. Die Partner sitzen dabei typischerweise mit abgewandten Köpfen, in gerader Richtung hintereinander. Mit einem Trick sorgt das Weibchen dann dafür, dass ihre Nachkommen auch bei langer Trockenheit eine Chance haben: Sie legt ihre Eier als gallertartige Laichballen am Ufer ab. In Zeiten des Klimawandels eine gute Strategie, denn einsetzender Regen und Hochwasser spülen die Eier in das Gewässer. Dort beginnt für die nächste Generation „Pilzköpfe“ ein neuer Lebenszyklus.
Bevorzugt besiedelt werden schwach strömende, naturnahe Fließgewässer mit sandigem Grund im Tiefland sowie der Uferbereich von Seen und Teichen. Elementar sind außerdem viele kleine Ästchen zum Köcherbau und größere Zweige und Holzansammlungen als Unterschlupf im Gewässer. Anspruchsvoll sind die Larven in Bezug auf die Sauerstoffversorgung, daher gehören sie zu den Zeigerorganismen der Güteklasse II („gut“). Auf Gewässerbelastungen reagieren sie ziemlich sensibel. Sie sind zudem Leitarten für ökologisch intakte Fließgewässer der Niederungen. Ihr Vorkommen ist damit in diesen Gewässern immer ein positives Zeichen und zeigt eine gewisse Natürlichkeit des Gewässers.
Quelle: EG/LV KL-GB, Presse